Verantwortung im Arbeitsschutz: Wer trägt sie, wer haftet?

Es ist das Worst-Case-Szenario: Im Jahr 2010 verletzt sich ein Auszubildender in der Produktion eines emsländischen Unternehmens so schwer, dass er stirbt. Ein tragischer Unfall? Das Osnabrücker Landgericht, das den Fall drei Jahre später verhandelt, nimmt die Führungskräfte im Unternehmen in die Verantwortung und verurteilt neben den beiden Geschäftsführern, einen Prokuristen, den Leiter der Instandhaltungsabteilung sowie den Ausbilder des Verstorbenen zu Geldstrafen. Die Geschäftsführer erhalten sogar eine sechsmonatige Haftstrafe auf Bewährung.

In einem anderen Fall urteilte das Landgericht Frankfurt ähnlich: Weil ein Mitarbeiter eines Chemieunternehmens versehentlich Salzsäure in den Main abließ, verurteilten die Richter den Vorstandsvorsitzenden, Vorstandsmitglieder, einen Betriebsleiter und einen Abteilungsleiter zu Geldstrafen. Der Mitarbeiter wusste nicht, dass ein Ventil im laufenden Betrieb nicht geöffnet werden durfte. Auch dieses Beispiel zeigt, wie Gerichte die Verantwortung für den Arbeitsschutz innerhalb eines Unternehmens hierarchisch gewichten.

Juristisch straffähig sind nur Personen, nicht Unternehmen

Dazu muss man wissen: Juristische Personen sowohl des privaten Rechts als auch des öffentlichen Rechts sind nicht deliktsfähig und damit auch nicht strafrechtlich verantwortlich. Eine GmbH, eine AG oder auch eine Gemeinde können also im Falle eines Unfalls nicht haftbar gemacht werden, wohl aber ihre Vertreter. Juristisch straffähig sind demnach laut §13 ArbSchG die gesetzlichen Vertreter einer juristischen Person. Zunächst sind dies diejenigen, die ein Unternehmen leiten: Inhaber, GmbH-Geschäftsführer oder Vorstandsvorsitzende. Sie übernehmen die Haftung für Verstöße gegen das Arbeitsschutzgesetz.

Pflichten an Führungskräfte delegieren

Allerdings kann die Unternehmensleitung Pflichten im Arbeitsschutz an Führungskräfte delegieren. Diese müssen dann genauestens dokumentiert und beschrieben werden. Zudem sollte der Arbeitgeber eine gewisse Sorgfalt bei der Auswahl walten lassen. Denn nicht jede Führungskraft besitzt die Kenntnisse und Fähigkeiten, um die übertragenen Pflichten ausüben zu können. Letztlich obliegen die Aufsicht und Kontrolle des Arbeitsschutzes immer dem Arbeitgeber. Er allein ist dafür verantwortlich.

Ein Geschäftsführer muss also darauf achten, dass auch seine Führungskräfte, denen er Weisungsbefugnisse erteilt, in ihren Verantwortungsbereichen die rechtlichen Vorgaben des Arbeitsschutzes einhalten und ihre Mitarbeiter entsprechend sensibilisieren. Abteilungs- oder Teamleiter müssen beispielsweise dafür sorgen, dass entsprechende persönliche Schutzausrüstung (PSA) vorhanden und auch vorschriftsmäßig getragen wird. Sie müssen Gefährdungsbeurteilungen, Unterweisungen und Sicherheitsmaßnahmen durchführen. Diese Pflicht gilt übrigens nicht nur gegenüber eigenen Mitarbeitern, sondern auch gegenüber denen aus Leihfirmen oder Fremdfirmen.

Mitarbeiter haben Mitwirkungspflicht

Die Mitarbeiter wiederum haben eine Mitwirkungspflicht. Sie müssen Schulungen absolvieren, Schutzausrüstung tragen und Sicherheitseinrichtungen an Maschinen nutzen. Tun sie dies nicht und kommen dabei zu Schaden, tragen sie eine Mitschuld. Das Landgericht Siegen wies beispielsweise eine Klage eines Produktionsmitarbeiters gegen den Hersteller einer Maschine zurück. Der Mitarbeiter hatte eine nicht CE-gekennzeichnete Schweißpunktmaschine unsachgemäß bedient. Der Betreiber (Arbeitgeber) hatte Änderungen an der Anlage vornehmen wollen, weshalb keine CE-Kennzeichnung erfolgt war. Doch der Vorgesetzte und somit Weisungsbefugte konnte vor Gericht glaubhaft darlegen, dass er den Mitarbeiter an der Maschine ausführlich geschult und ihn explizit auf die Gefahren hingewiesen hatte. Das Gericht schlussfolgerte, dass der Mitarbeiter grob fahrlässig gehandelt hatte und die Quetschverletzung selbstverschuldet war. Die Frage, ob der Käufer der Schweißmaschine aufgrund der Änderungen selbst zum Hersteller wurde, prüfte das Gericht nicht. Allerdings ging der Mitarbeiter in Berufung. Das Oberlandesgericht Hamm ließ ein Sachverständigengutachten zur Maschine erstellen. Die Parteien (Hersteller und Mitarbeiter) schlossen einen Vergleich, in dem die Herstellerin dem Arbeitnehmer ohne Anerkennung einer Rechtspflicht 25.000 Euro zahlte. Damit waren sämtliche Ansprüche aus dem Unfall abgegolten. Eine weitere Klage des Mitarbeiters gegen den Arbeitgeber blieb jedoch erfolglos.

Für die Einhaltung des Arbeitsschutzes sind jedoch nicht nur interne Mitarbeiter oder Führungskräfte verantwortlich, sondern auch externe Dienstleister. Unterweist beispielsweise ein Ingenieur einer externen Firma Mitarbeiter des eigenen Unternehmens in die Bedienung einer neuen Anlage, trägt dieser Ingenieur – genau wie jede andere Führungskraft im Unternehmen – die Verantwortung für den Arbeitsschutz.

Unwissenheit schützt nicht vor Strafe

Grundsätzlich gilt, dass jeder Mitarbeiter gemäß seinen Pflichten für den Arbeitsschutz verantwortlich ist. Unwissenheit schützt nicht vor Strafe. Deshalb sollte der Arbeitsschutz in einem Unternehmen systematisch gemanagt und in jeder Hierarchieebene Zuständigkeiten und Verantwortlichkeiten klar geregelt und dokumentiert werden.

Kommentare

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert.