Grenzwerte für Schweißrauch: Lasst uns auch die Partikel zählen!
Sind die heutigen Grenzwerte für Schweißrauch in der aktuellen Form noch zeitgemäß? Daran gibt es in Wissenschaft und Industrie Zweifel. Die KEMPER GmbH tritt für eine Bemessung nach Partikelanzahl bei der Bewertung der Schweißrauchkonzentration ein. Denn die wahre Gefahr für die Gesundheit der Mitarbeiter liegt unter den Höchstgrenzen – ein Essay von Björn Kemper.
Arbeitsplatzgrenzwerte (AGW) sorgten in der Metallverarbeitung das letzte Mal für Aufsehen, als der erlaubte Höchstwert für alveolengängige Stäube in Deutschland um mehr als 60 Prozent auf 1,25 mg/m³ sank. Das war 2014 bezogen. Der Gesetzgeber passte den allgemeinen Staubgrenzwert mit neuen arbeitsmedizinischen Erkenntnissen an. Noch bis Ende 2018 gilt eine Übergangsfrist zur Einhaltung dieses Grenzwertes. Daneben gibt es für sogenannten einatembare Stäube, die E-Fraktion, einen allgemeinen Grenzwert von 10 mg/m³ (zur Abgrenzung siehe hier). Daneben gibt es für verschiedene Stoffe diverse weitere spezifische Grenzwerte. Bei krebserregenden Stoffen gilt ein Minimierungsgebot.
Aber nicht nur in Deutschland legen Grenzwerte einen Höchstwert für die Exposition mit Schweißrauch fest. Die Niederlande beispielsweise sind noch restriktiver als Deutschland – mit einem Grenzwert für alveolengängige Stäube von 1 mg/m³. Für eben solche herrscht in den USA ein Höchstwert von 5 mg/m³. Eines verbindet alleine diese drei Länder: Überall dort, wo der Gesetzgeber regulierend eingreift, werden die Werte nach Gewicht festgelegt. Doch ist dies noch zeitgemäß? In der aktuellen Form eindeutig NEIN.
Aktuelle Grenzwerte für Schweißrauch verzerren Gefahren
Diese Grenzwerte, auch wenn die Absenkung des Grenzwertes für A-Staub in Deutschland arbeitsmedizinischen Erkenntnissen Rechnung trug, suggerieren ein falsches Bild und lenken von den eigentlichen Gefahren im Schweißrauch ab. Gewichtsbasierte Höchstwerte für die Exposition eines Schweißers mit schädlichen Partikeln sagen ja Folgendes aus: Haltet ihr die Grenzwerte ein, verhaltet ihr euch zum einen gesetzeskonform. Zum anderen geht aber jeder davon aus, dass die Gefahr gebannt ist. Und das ist nicht der Fall.
Die eigentlichen Gefahren liegen unterhalb dieser Grenzwerte. Ein Beispiel: Bei wenigen groben Staubpartikeln kann der Grenzwert bereits schnell überschritten werden. Im Gegensatz dazu können Millionen von kleinsten Feinstaubpartikeln im Nanobereich, die unser Auge gar nicht wahrnehmen kann, aufgrund ihres geringen Gewichts unter dem Grenzwert liegen. Die Gewichtsgrenzwerte bilden diese Gefahren gar nicht ab. Vielen Schweißern sind die Gefahren bis heute nicht bewusst.
Ultrafeine Partikel der Schweißrauche machen krank
Vor allem die ultrafeinen und extrem leichten Feinstaubpartikel machen Mitarbeiter in der Produktion krank. Aktuelle Studien [zum Beispiel: World Health Organisation (2016): Ambient air pollution: A global assessment of exposure and burden of disease / Max-Planck-Institut für Chemie (2015): The contribution of outdoor air pollution sources to premature mortality on a global scale] belegen, dass Feinstaub für ein erhöhtes Herzinfarktrisiko ursächlich ist, Demenz fördert, Krebs hervorruft oder sogar zum Tod führen kann. Die Weltgesundheitsorganisation stuft Feinstaub sogar als einen direkten Verursacher von Lungenkrebs ein.
Was müssen wir daraus für die Bewertung von Arbeitsplatzgrenzwerten schließen? Wir müssen auch die Partikel zählen! Die entsprechende Technik, die Partikel bis in den Nanobereich nach Anzahl messen kann, ist bereits auf dem Markt. Selbst die berufsgenossenschaftlichen Prüfinstrumente bei den BG-Prüfungen ermitteln im Atembereich des Schweißers erst die Anzahl der Partikel, ehe diese zu einer Gewichtsangabe kumuliert wird. Warum also nicht die verfügbare Datenbasis weiter nutzen?! Die große Herausforderung liegt dann vor allem in der Bestimmung solcher Grenzwerte. In Zukunft könnte es für die verschiedenen Staubklassen (E-Staub und A-Staub) einen jeweiligen Höchstwert geben – beispielsweise angegeben in der Anzahl der Partikel in der Staubklasse pro Quadratmeter pro Zeit. Auch die Arbeitsmedizinischen Erkenntnisse liegen dafür vor und müssten nur für eine solche neue Bemessung genutzt werden.
Schweißrauchabsaugung auch im ultrafeinen Bereich heute hocheffizient
Zusätzliche Relevanz erhält diese Sicht übrigens auch beim Blick auf den vermeintlichen technischen Fortschritt beim Schweißen. Hersteller werben hier mit neuen scheinbar emissionsarmen Schweißverfahren. Und ja, es ist richtig: Im sichtbaren Bereich nimmt die Schweißrauchmenge subjektiv gesehen ab. Das heißt die schweren Partikel verschwinden und so wird auch der Grenzwert effektiver eingehalten. Was für den Schweißer aber nicht mehr sichtbar ist: Im unsichtbaren Bereich steigt die Anzahl der Feinstaubpartikel sogar an – und damit auch die Gefahr für die Gesundheit der Mitarbeiter. Denn vor allem diese kleinen Partikel richten die Schäden im menschlichen Organismus an.
Eines bleibt bei allen Gefahren aber sicher: Die Schweißrauchfilter sind heute bereits dermaßen effizient, dass sie selbst einen Großteil der ultrafeinen Partikel, für die es noch gar keine Bewertung durch Grenzwerte gibt, von der kontaminierten Luft abscheiden können.