Britische Arbeitsschutzbehörde stellt fest: „Die Punktabsaugung ist bei allen Schweißarbeiten in geschlossenen Räumlichkeiten unerlässlich.”
Weltweit findet eine Diskussion über den Umgang mit Gefahren durch Schweißrauch statt. Das Beispiel der britischen Arbeitsschutzbehörde HSE zeigt, dass die Vorschriften strenger werden. In einem Interview erläutert Sarah Palfreyman, HM-Inspektorin für Gesundheit und Sicherheit bei der HSE, die Hintergründe der Umklassifizierung von Baustahl-Schweißrauch zum Karzinogen.
Giftige Dämpfe und Gase, UV-Strahlung sowie Lärm- und Temperaturgefahren: Schweißer sind biologischen, chemischen und ergonomischen Risikofaktoren stärker ausgesetzt als Arbeiter in anderen Branchen. Die Bedeutung von Arbeitsschutzvorschriften wird in Großbritannien, wo die Health and Safety Executive (HSE) als nationale Regulierungsstelle und Regierungsbehörde fungiert, seit langem anerkannt. Eines der herausragenden Themen im Jahr 2019 war die Neuklassifizierung von Schweißrauch, die zu einer Verstärkung der Durchsetzungserwartungen in Bezug auf Baustahl-Schweißrauch führte. Bei safe-welding.com haben wir mit Sarah Palfreyman von der HSE über ihre Motive und Auswirkungen der neuen Regelungen gesprochen.
Im Februar 2019 hat die HSE ihre Durchsetzungserwartungen in Bezug auf Baustahl-Schweißrauch geändert. Wird Schweißrauch denn immer gefährlicher?
Nein, Schweißen war schon immer gefährlich. Die wissenschaftlichen Erkenntnisse werden jedoch immer präziser. Eine Studie, die 2018 von der Internationalen Agentur für Krebsforschung durchgeführt wurde, kam in ihrer Monografie zu dem Schluss, dass Baustahl-Schweißrauch ein menschliches Karzinogen ist und bei Menschen, die ihm ausgesetzt sind, zu Lungenkrebs und möglicherweise Nierenkrebs führen kann. Daher hat der britische Expertenausschuss „Gesundheit am Arbeitsplatz“ die Neueinstufung von Baustahl-Schweißrauch als humanes Karzinogen befürwortet, da es schwere und dauerhafte Gesundheitsschäden verursachen kann. Mit sofortiger Wirkung haben wir unsere Durchsetzungserwartung für jegliche Arten von Schweißrauch, einschließlich Baustahl-Schweißrauch, geändert, da eine allgemeine Belüftung allein nicht ausreicht.
Die wichtigste Funktion der HSE ist es, die Gesundheit und Sicherheit für Arbeitnehmer in GB zu gewährleisten. Mit welchen Problemen sind sie besonders in Unternehmen, die Schweißarbeiten durchführen, konfrontiert?
Arbeiter, die Schweißarbeiten durchführen, sind einem enormen Gesundheitsrisiko ausgesetzt, da Schweißrauch reizende Gase wie Stickoxide und Ozon enthält. Dies kann nicht nur zu Atemreizungen und Metallrauchfieber führen, sondern auch die Anfälligkeit für Lungenentzündung erhöhen. Längerfristig kann es sogar zu schweren Lungenerkrankungen wie berufsbedingtem Asthma und Krebs führen. Es gibt auch Hinweise auf einen Zusammenhang mit Nierenkrebs und chronisch obstruktiver Lungenerkrankung. Als Exekutive ist es unsere Pflicht, die Gesundheit der Arbeitnehmer in der metallverarbeitenden Industrie durch geeignete Vorschriften zu schützen.
HSE hat die Kontroll- und Durchsetzungsmaßnamen für Unternehmen, die Gesundheitsrisiken nicht effektiv bekämpfen, verschärft. Welche genauen Anforderungen haben Sie in Bezug auf Unternehmen?
Das ist richtig. Generell besteht seitens der HSE nun die Forderung nach geeigneten Kontrollmaßnahmen zum Schweißen von Baustahl. Dazu zählt die ordnungsgemäße Anwendung einer Punktabsaugung zum Abzug des Rauchs an der Quelle sowie die Verwendung eines geeigneten Atemschutzes, wenn Restrauch vorhanden oder die Bereitstellung einer lokalen Belüftung nicht möglich ist.
Was genau bedeutet das? Was wird in Unternehmen insbesondere im Hinblick auf Metallrauch und Baustahl-Schweißrauch untersucht?
Im Rahmen der allgemeinen Inspektionen beurteilt ein HSE-Inspektor, wie Unternehmen die Exposition ihrer Mitarbeiter gegenüber Baustahl-Schweißrauch oder anderem Metallrauch kontrollieren. Zentrale Fragen hierbei sind: Wurden die Risiken von Rauch am Arbeitsplatz bewertet? Welche Kontrollmaßnahmen wurden eingerichtet? Welche Kenntnisse haben die Mitarbeiter hinsichtlich der Risiken und welche Schulungen haben sie erhalten, um die Maßnahmen richtig umzusetzen?
Dies sind viele Fragen und Details, die Arbeitgeber beachten müssen. Welche Standards sollten Arbeitgeber, die Schweißarbeiten durchführen, haben?
Die HSE akzeptiert nicht länger, dass Schweißarbeiten ausgeführt werden, wenn keine geeigneten Maßnahmen zur Expositionskontrolle vorliegen. Im Hinblick auf die Gesundheit der Arbeitnehmer sollten die Arbeitgeber die Anforderungen der Verordnung über gesundheitsgefährdende Stoffe (COSHH) erfüllen. Sie müssen sicherstellen, dass eine Exposition verhindert oder, wenn dies nicht sinnvoll durchführbar ist, angemessen kontrolliert wird. Als Orientierung gibt die COSHH-Verordnung praktische Ratschläge, wie dies mittels der Kontrollhierarchie erreicht werden kann.
Das klingt kompliziert. Worauf sollten sich Arbeitgeber innerhalb der Kontrollhierarchie besonders konzentrieren?
Technische Kontrollen, wie zum Beispiel die Punktabsaugung, sind für alle Innenraumschweißarbeiten, bei denen Schweißrauch nicht eliminiert oder substituiert werden kann, das höchste Niveau. Wenn die Punktabsaugung allein nicht ausreicht oder nicht praktikabel ist, sollte sie durch eine geeignete Atemschutzausrüstung ergänzt werden. Für das Schweißen im Freien sollte ebenfalls eine geeignete Atemschutzausrüstung bereitgestellt werden. Außerdem sollten Unternehmen sicherstellen, dass die Schweißer hinsichtlich der Anwendung dieser Kontrollmaßnahmen entsprechend instruiert und geschult sind.
Halten sich Arbeitgeber oder Schweißer denn grundsätzlich an die Regeln oder werden diese auch hin und wieder vernachlässigt?
Die verarbeitende Industrie reagierte positiv auf die neue Anforderung, die Exposition gegenüber Baustahl-Schweißrauch zu kontrollieren. Die gezielten Bemühungen der HSE, alles zu erklären und das Bewusstsein für die Neuklassifizierung von Schweißrauch als humanes Karzinogen zu fördern, spielten eine wichtige Rolle dabei, dass die Industrie ein gutes Maß an Compliance erzielte.
Als einer der sichersten und besten Orte zum Arbeiten, ist das Vereinigte Königreich ein gutes Beispiel für andere Märkte. Sollte die HSE ihrer Meinung nach als Vorbild betrachtet werden?
Die HSE basierte diese Änderung auf den wissenschaftlichen Beweisen sowie den Risiken für die Arbeitnehmer. Als Regulierungsbehörde setzen wir eine Vielzahl von Methoden ein, um Unternehmen zu ermutigen und zu unterstützen, Risiken im Bereich Gesund heit und Sicherheit vernünftig und angemessen zu managen und die Einhaltung der Gesetze zu gewährleisten. Wir sind der Meinung, dass alle Durchsetzungsmaßnahmen im Verhältnis zu den Gesundheits- und Sicherheitsrisiken und der Schwere des Verstoßes gegen ein Gesetz stehen sollten. Wir arbeiten mit anderen Märkten sowohl bilateral als auch über multilaterale Institutionen zusammen und würden uns freuen, auch mit anderen in diesem Bereich zusammenzuarbeiten.
Info box
Name | Health & Safety Executive (HSE) |
Gegründet | 1. Januar 1975 |
Hauptsitz | Bootle, Merseyside, England |
Funktion | Nationale Regulierungsstelle und Regierungsbehörde für Gesundheit und Sicherheit am Arbeitsplatz in Großbritannien |
Zweck | Kostenlose Beratung, Richtlinien, Neuheiten, Vorlagen, Tools, Gesetzgebung und Publikationen für Arbeitgeber und Mitarbeiter |
Mission | Vermeidung von arbeitsbedingten Todesfällen und Verletzungen und Beitrag zu einer faireren Gesellschaft |
Aufgaben | Arbeitgebern Vertrauen geben, Risiken richtig zu managen; Abzielen auf die Industrien mit den größten Gefahren; Anwenden gesetzlicher Befugnisse zur Durchführung von Inspektionen und Untersuchung schwerwiegender Risiken; Arbeitgeber für ihre Versäumnisse zur Rechenschaft ziehen; Antworten für Opfer erhalten; Arbeitsplätze sicherer machen |
Website | www.hse.gov.uk |