Impfen gegen Schweißrauch? Wie Schweißer gegen ihr erhöhtes Pneumonie-Risiko vorsorgen
Schweißer sind einem erhöhten Risiko ausgesetzt, an Pneumokokkeninfekten zu erkranken. Zum Impfen gegen Pneumokokken rät daher die ständige Impfkommission des Robert-Koch-Instituts. Dies verhindere laut Forschern die Schwächung des Immunsystems und möglichen Folgen daraus bis hin zu starken Lungenschädigungen. 2019 veröffentlichte der Gesetzgeber eine Arbeitsmedizinische Regel dazu. Trotz wirkungsvoller Impfung sagen die Forscher jedoch selbst: Arbeitsschutzmaßnahmen wie eine Schweißrauchabsaugung gehen vor.
Dass Schweißrauch die Gesundheit von Arbeitern in metallverarbeitenden Betrieben gefährdet, ist heute unbestritten. Je nach verarbeitenden Werk- oder Zusatzwerkstoffen entstehen Rauche und Gase mit lungenbelastenden, toxischen oder gar krebserzeugenden Wirkungen auf den menschlichen Körper. Nicht zuletzt deshalb stuft die Weltgesundheitsorganisation (WHO) Schweißrauch als krebserzeugend ein. Schweißrauchabsauganlagen in Verbindung mit Raumlüftungssystemen sind zum Schutz der Mitarbeiter heute das Maß der Dinge. Doch kann auch eine Impfung der Schweißer dem Immunsystem helfen? Anerkannte Institute sagen: ja.
Pneumokokkeninfektionen durch Schweißraucheinwirkung begünstigt
Das Stichwort lautet Pneumokokken: Einschlägige Humanstudien zeigen ein erhöhtes Risiko einer Infektion bei Schweißern auf. Pneumokokken sind Bakterien und sind die häufigsten Erreger schwer verlaufender bakterieller Infektionen. Sie können zu schweren Erkrankungen führen, darunter:
- Mittelohrentzündung
- Lungenentzündung
- Hirnhautentzündung
Bis heute sterben weltweit Millionen von Menschen an einer Pneumokokken-Infektion. Ist aber das Risiko für Schweißer erhöht? Tatsächlich weisen die Studien darauf hin, dass Vorerkrankungen der Atemwege oder des Immunsystems, Tabakrauch oder ein hohes Alter eine Pneumokokken-Infektion begünstigen. Und trotzdem gehen sie darüber hinaus hinsichtlich der Gefährdung von Schweißern nicht nur von einem erhöhten Erkrankungsrisiko, sondern sogar von einer erhöhten Gefahr der Sterblichkeit für Schweißer durch Pneumokokken-Infektionen aus.
An erster Stelle stehen Arbeitsschutzmaßnahmen gegen Schweißrauch
Die Forschungsinstitute stellen zunächst unmissverständlich klar: Eine Impfung entbindet Arbeitgeber nicht von anderen Arbeitsschutzmaßnahmen. Eine effektive Schweißrauchabsaugung trägt maßgeblich dazu bei, das Pneumonie-Risiko für Schweißer deutlich zu reduzieren. Denn sie bekämpft die Ursache der Immunschwäche – nämlich die Schweißrauchexposition. Dadurch werden auch die möglichen Nebenwirkungen einer Impfung umgangen. Priorität hat dabei für Schweißer die Punktabsaugung, damit sich die Gefahrstoffe erst gar nicht in der Hallenluft ausbreiten können.
Die Health and Safety Executive (HSE) in Großbritannien beschreibt es noch konkreter: Impfungen seien nur bei Hochrisikogruppen unter den Schweißern nötig. Das ist zum Beispiel dann der Fall, wenn eine effektive Schweißrauchabsaugung gar nicht oder nur unzureichend vorhanden ist.
Entwarnung gibt es übrigens nach der Tätigkeit als Schweißer und dem damit verbundenen Risiko, den gesundheitsgefährdenden Gefahrstoffen im Schweißrauch ausgesetzt zu sein. Danach nämlich sinkt das Risiko, sich mit Pneumokokken anzustecken, auf das Niveau der Normal-Bevölkerung.
Anerkannte Institute empfehlen Impfen gegen Pneumokokken
Ist der Arbeitsschutz in Form vom Schweißrauchabsaugung und Raumlüftungssystemen nicht ausreichend möglich, empfehlen anerkannte Institute eine Impfung gegen Schweißrauch. Seit 2016 rät die in Deutschland maßgebliche Ständige Impfkommission (STIKO) des Robert Koch-Instituts dazu, dass sich „Personen mit beruflichen Tätigkeiten wie Schweißen und Trennen von Metallen, die zu einer Exposition gegenüber Metallrauchen einschließlich metalloxidischen Schweißrauchen führen“, impfen lassen.
Die in Großbritannien verantwortliche Arbeitsschutzbehörde Arbeitsschutzbehörde HSE empfiehlt bereits seit 2014 die Impfung für Schweißer und andere Metallverarbeiter. Dafür gibt sie Arbeitgebern Informationen an die Hand, wie sie ihre Mitarbeiter auf freiwilliger Basis schützen können.
Arbeitsmedizinische Regel erklärt Impfen gegen Schweißrauch
2019 folgte der Gesetzgeber in Deutschland den Erkenntnissen und veröffentlichte die vom Ausschuss für Arbeitsmedizin beschlossene Arbeitsmedizinische Regel (AMR) „Pneumokokken-Impfung als Bestandteil der arbeitsmedizinischen Vorsorge bei Tätigkeiten mit Gefahrstoffen durch Schweißen und Trennen von Metallen“.
Danach müssen Arbeitgeber unter der Beratung eines Arztes im Rahmen der Gefährdungsbeurteilung prüfen, ob eine Impfung im Einzelfall nötig ist. Die AMR listet auf, bei welchen Schweißverfahren dies als sinnvoll erscheint, sofern eine wirksame Beseitigung der Gefahrstoffe durch Absaugung nicht möglich ist:
- Lichtbogenhandschweißen (LBH) mit umhüllten Stabelektroden
- Metallschutzgasschweißen (MSG) wie Metallaktivgas- und Metall-Inertgasschweißen (MAG, MIG) mit Massivdraht oder Fülldraht (einschließlich additiver Verfahren)
- Abbrennstumpfschweißen
- Thermisches Trennen (zum Beispiel Brennschneiden, Plasmaschneiden)
- Laserstrahlschweißen
- Laserstrahlschneiden
- Brennfugen, Lichtbogen-Druckluftfugen
- Thermisches Spritzen (zum Beispiel Flamm-, Lichtbogen-, Plasmaspritzen)
- Gasschweißen (Autogenschweißen)
- Wolfram-Inertgasschweißen (WIG-Schweißen)
- Mikroplasmaschweißen
- Elektronenstrahlschweißen mit Einhausung
- Gießschmelzschweißen (Thermitschweißen)
- Widerstandsschweißverfahren (außer Abbrennstumpfschweißen), wie insbesondere Punktschweißen, Buckelschweißen, Rollennahtschweißen
- Additive Fertigungsverfahren (zum Beispiel „3D-Druck“) mit Metallpulvern in geschlossenen Laserschmelzanlagen
Ist eine Impfung nötig, sollten laut der AMR folgende Schritte eingehalten werden:
- Ein Arzt stellt fest, wenn gegebenenfalls aus Gesundheitsgründen etwas gegen eine Impfung spricht.
- Das Impfangebot erfolgt über den Arzt. Er informiert Schweißer zu Nutzen und Nebenwirkungen. Schweißer können das Angebot ablehnen.
- Die Impfung selbst erfolgt im Rahmen der arbeitsmedizinischen Vorsorge. Geimpft wird eine Einzeldosis des 23-valenten Polysaccharid-Impfstoffs (PPSV23). Im Regelfall soll eine Einzelimpfung ausreichen.
- Ergibt die Gefährdungsbeurteilung, dass eine Pneumokokken-Impfung erforderlich ist, muss der Arbeitgeber die Kosten dafür tragen.